Brennende Olivenbäume in Lecce


Den Begriff brennende Erde kennen wir aus dem Vokabular der Kriegsberichterstattung. 

Nun müssen wir dieser Tagen den Begriff um “brennende Olivenbäume” erweitern.

Ja, in Lecce brennen die Olivenbäume! 

Man hat sie aufgegeben. Der Krieg gegen das Bakterium “Xylella fastidiosa”, das den Olivenbäumen buchstäblich das Wasser abstellt, indem es ihnen die Gefässe verengt, ging verloren. 

Die Olivenölproduktion wird dort 2019/20 gerade noch 10% betragen. 5000 Arbeitsplätze sind weg, weg in einer Region, die ohnehin schon unter hoher Arbeitslosigkeit leidet. 

Lecce wurde von der Bürokratie als Urherd des Übels bestimmt. Abbrennen scheinbar die letzte Lösung, um die Weiterverbreitung zu verhindern! Scheinbar! Die Krankheit wird weiter voranschreiten und Baum um Baum befallen. Zwei Kilometer breite sich die Krankheit pro Monat Richtung Norden aus, konnte ich in einschlägiger Literatur nachlesen. Der Salento ist seit 6 Jahren dem Untergang geweiht.

Wir sprechen von 21 Millionen Olivenbäumen auf 200’000 infizierten Hektaren Land. Land, das seit 2000 Jahren durch ein einmaliges Ökosystem vernetzt ist. Man stelle sich vor: Silberne Olivenhaine, manchmal unterbrochen durch Weinreben- oder Melonenfelder, eingerahmt mit durchgehenden uralten Steinmauern von Dorf zu Dorf, von Siedlung zu Siedlung, von Hain zu Hain reichend, bestückt mit wilden Mandel- und Feigenbäumen, mit Sträuchen, Kakteen, Pflanzen und Blumen von unendlicher Vielfalt, von einer Tierwelt bewohnt, von der kleinen Insekte bis zum grossen Dachs reichend, droht der unwiderrufliche Untergang! Das Landwirschaftsministerium hat den Landwirten geraten, ihre Produktion umzustellen. Noch mehr Tomaten? 

Die Lage ist demnach dramatischer als man ahnt, und das Unheil hat meine Haustüre in Apulien erreicht.

Mein Freund Franco sagte mir am Sonntag, sein Olivenhain in Avetrana, ein Erbstück seiner Schwiegereltern, sei auch befallen. Noch am gleichen Sonntag begann er mit dem Fällen...

In der nahen geschichtsträchtigen Stadt Oria verbreitete sich das Übel unter schier dramatischen Begleiterscheinungen. Unweit von Brindisi wurden 925 Olivenbäume innerhalb von nur zwei Tagen gefällt. Selbst Naturdenkmäler bleiben nicht verschont: Ein 2000 Jahre alter Olivenbaum in Oria zählt zum Opfer. Nino Baldari, ein achtzigjähriger Olivenbauer aus genannter Stadt, wo im vergangenen Frühjahr 2017 300 tausendjährige Olivenbäume der Säge zum Opfer fielen und weiteren 500 das gleiche Schicksal droht, wurde festgenommen, weil er sich dem Fällen widersetzte. 

Die Olivenölproduktion in Lecce ist zusammengebrochen, die Mühlen geschlossen oder der EU veräussert. Dort wird jetzt „Olivenöl aus europäischer Produktion“ gepresst. In Avetrana, einem herausragenden Produktionsort des flüssigen Goldes, hielt ich im Supermercato PAM eine solche Flasche in der Hand. “Olivenöl aus europäischer Produktion der EU.“ Ausgerechnet hier! Ich glaube es nicht! Das fühlt sich an, als ob man in Manduria bei der Suche  nach einem guten Primitivo eine Flasche “Dôle” aus dem Wallis zum Verkauf angeboten erhielte. 

Nun werde ich politisch. Die Bürokratie der EU trifft eine grosse Mitschuld am Desaster. In Brüssel lässt man Apulien hängen. Für mich ein Hinweis für die Schweiz, was unserer Landwirtschaft drohte, wenn man sich diesen europäischen Dilettanten anschlösse. Weit weg vom Geschütz in fernen Landen wird man manchmal klüger...