Otranto - einst Brückenkopf in den Orient

Otranto - die südöstlichste Stadt Italiens - zudem eine der geschichtsträchtigsten, nämlich einst Brückenkopf zum Orient und über Jahrhunderte das wirtschaftliche, politische und kulturelle Zentrum des Salent - eine Stadt also, die man unbedingt in das Ausflugsprogramm mit einbeziehen sollte. 

Otranto war die letzte byzantinische Festung, die den Lombarden und später den Normannen lange Zeit standhielt. Im 15. Jhd. eroberte Mohammed II Otranto. Seine osmanischen Truppen richteten ein Blutbad an. Man trieb die Überlebenden auf den Minervahügel und ermordete diese. Zur Erinnerung wurde an dieser Stelle eine Kapelle errichet.

 

wie kommt man von St. Pietro in Bevagna nach Otranto?

Die schnellste Anfahrt führt ab unserem Feriendomizil über Manduria - Lecce und Maglie. Zwei Stunden Autofahrt sind mindestens einzurechnen. Besonders auf den letzten Kilometern ist der landschaftliche Reiz enorm, das Auge kommt nicht zu kurz...

 

Ankunft in Otranto:

Vor Jahren konnte man das Auto direkt vor der mächtigen mittelalterlichen Befestigungsanlage parken. Der Eintritt zu Fuss in die Altstadt blieb als unvergessliche Ferienerinnerung haften bleiben. Heute ist es anders, wo der Touristenstrom Otranto entdeckt hat. Ein strenges Parksystem weist einem den Weg.

 

Atmosphäre:

Ein orientalischer Hauch umgibt nach wie vor die Stadt - bei jedem Schritt spürt man die Nähe des Orients, reiche Schätze verschiedenster Kulturen ziehen den aufmerksamen Besucher in ihren Bann. Um ohne Hektik Otranto zu erleben, muss ein Tagesausflug geplant werden. Hoffentlich lässt Sie das sonst in fast allen Monaten des Jahres wunderbare Klima nicht im Stich. Und wenn man in den sommerlichen Monaten während der Siesta zwischen 14 und 17 Uhr die Stadt durchschreitet, wird einem bewusst, dass die Uhren im tiefen Süden Italiens die Uhren anders ticken! Selbst die Kathedrale mit dem berühmten Bodenmosaik schliesst seine Pforten. Wer also ein belebtes Otranto mit offenen Läden, Restaurants und offenen Sehenswürdigkeiten erleben will, plant seinen Aufenthalt in der Stadt auf die Morgenfrühe oder in die abendlichen Stunden...

 

 

Für den kulturinteressierten Besucher dürfte sich der Besuch der Kathedrale als absoluter Höhepunkt erweisen.

 

ZEIT online vom 2. April 1993:

Wunder auf dem Fußboden:

Das Mosaik von Otranto

Gerold Späth

 

Es ist hier von einem befohlenen Wunder zu berichten: Im Jahre 1163 erteilte ein sehr auf das Wohlwollen des (normannischen) sizilianischen Hofes bedachter hoher Kleriker, ein gewisser Jonathan, damals Erzbischof der heute kleinen Stadt Otranto unten am Sporn des italienischen Stiefels, einem seiner Priester den Auftrag, den gesamten Fußboden seiner Kathedrale mit einem Mosaik zu belegen. Worauf jener Priester, ein offenbar umfassend gebildeter Mann namens Pantaleon, mit grandioser und genialer Geste einen Grundriß sozusagen all dessen, was damals Himmel, Erde und Hölle ausmachte und zusammenhielt, von Wand zu Wand auf dem Kathedralboden ausbreitete. Heftig wächst und wuchert das Pantaleonsche Wunder seither ausötrantinischem Grund hervor und sehr verwirrend hinauf in Astwerk und Geranke von drei monumentalen "Menschheits " oder "Lebensbäumen", breitet sich in beschrifteten oder ornamentgeschmückten Kreisen und ordnet sich im Chor der Kathedrale in mächtigem Halbkreis. Ein Wunderwerk, riesig und wortwörtlich fabelhaft. Ein dichter steinerner Bildteppich, ein BilderbogenBilderboden voller Geschichten, phantastisch und einzigartig.Manches, was das Mosaik von Otranto uns zeigt, ist ohne weiteres auch heute noch verständlich. An anderem wird herumgedeutet. Vieles bleibt einstweilen noch verschlossen, enigmatisch, ja unbegreifbar. Man darf drum annehmen, das seine Rätsel scharf zeichnende Werk des Pantaleon werde wohl noch lange ein rechtes Gelehrtenfutter abgeben.Müßige Mühe drum, diese Unerschöpflichkeit, die meines Wissens nirgendwo nur annähernd ihresgleichen hat, beschreiben zu wollen - nur schlicht aufreihend benennen, hinzählen kann ich sie , wobei freilich zuvor dies anzumerken ist: Alljährlich pilgern Scharen in die Kathedrale von Otranto. Aber nicht zu Pantaleons Mosaik. Sondern um die heiligen Gebeine von 560 oder 800 (die Zahl schwankt) standhaften Soldaten zu beschauen. Es begab sich nämlich im August 1480, daß Suleiman des Prächtigen Feldherr Achmed Giedick, nachdem er sein Heer hatte Otranto erobern lassen, die 560 oder 800 überlebenden Verteidiger aus der Stadt hinausführen ließ und dort hat köpfen oder auf die gekappten und angespitzten Hauptäste von Olivenbäumen hat spießen und also pfählen lassen, da sie, wie es heißt, tausendmal lieber sterben als Christus abschwören wollten.Item: Auf ihrem Gang zu den Märtyrergebeinen marschieren die Pilger seit Jahrhunderten über das Mosaik hin, sie treten es mit Füßen, betrampeln Trampeltiere, Elefanten, Drachen, Greife, Schlangen, Roß und Reiter, kämpfende Keulenschwinger und den Gestiefelten Kater, den Löwen mit den vier Leibern und Fuchs und Hahn, einenverwundeten Hirsch und ein Zwitteningeheuer, das Einhorn, Wal und Delphine, Reptilien, Basilisken, Hunde, Ziegen, Adam und Eva, den himmelfahrenden Alexander und Noah, Sem, Cham, Japhet und den Herrn der Finsternis samt Dienerschaft, die Turmbauer von Babel, König Salomon und die Königin von Saba, Jonas und Samson und König Artus und den harfespielenden Esel.Man marschiert über Wölfe und über Weise und Propheten, über ein Schachbrettund über Bären, Affen, Ochsen, Krebse und die Seelen von Erwählten, über Schweine, Kraken, Fischweibchen, Seefahrer, über Hunde, Phantasie- und Paradiesvögel, über den glücklosen König von Ninive, über Hase und Kranich, über trompetenblasende Kentauren und über den Nackten mit dem Eselskopf.Das sehr merkwürdige Mosaik von Otranto ist hin und wieder mit dem Teppich von Bayeux verglichen worden. Ein völlig unstatthafter Vergleich - abgesehen davon, daß der Teppich im Vergleich zum Mosaik gleichsam zur Miniatur schrumpft. Er glorifiziert ein relativ kurzfristiges Ereignis in sehr subjektiver Weise. In Otranto hingegen wird und dies ist nur ein Aspekt von vielen - der Versuch gewagt, das Signifikanteste und Markanteste der bis damals, 1163, gleichsam aufgelaufenen und dem Pantaleon und seinem Kreis bekannten Mythen und Menschheitsgeschichten zusammenzubringen und ins Bild zu setzen.Das alles sieht man jetzt endlich, nach vielen Verzögerungen und Jahren des Wartens, im Otranto Buch von Carl Arnold Willemsen, wunderschön und kostbar. Kompetent herausgebracht von Magnus Ditsche und Raymund Kottje. Ein Buch, das einen gescheiten, informativen Text bringt, dabei einige der Rätsel und Verschlingungen löst, über Unbegreifliches aber nur behutsam und nicht über Gebühr spekuliert. Und ich hoffe, daß das vergleichsweise wenig bekannte Werk, das während 800 Jahren nebst Türkensturm, Zerstörung ringsum und schleichendem Zerfall in Jahrhunderten wohl Hunderttausende, wenn nicht Millionen von achtlosen Pilgerschuhen relativ heil überstanden hat bis auf den heutigen Tag - ich hoffe, es möge dies einzigartige, überaus vielschichtige, in seinem Rang weit unterschätzte Kunstwerk endlich jenes breite, doch schonende, respektvolle und heiterstaunende Interesse erfahren, das einem so wunderbar auf uns gekommenem Wunderwerk gebührt.

 




Literaturempfehlung: